Die Haltung der Hoffnung - Predigt vom 1. Adventsonntag (Lk 21,25-28.34-36)

Am Himmel zeichnet sich ein nahendes Gewitter ab. Angetrieben durch einen erst schwachen, dann stärker werdenden Wind, der immer mehr in einen Sturm übergeht, kommt die Front auf uns zu. Der Horizont ist dunkel und auch der Himmel über uns schwärzt sich ein. Die Bäume beginnen, sich zu biegen, es rauscht und raschelt, man hört ein Klappern und ein Pfeiffen. Was, bitte was kommt da auf uns zu? Wird es Verwüstung geben? Wird es Verletzte geben?

„Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“

Eine Gewitterfront kann Angst machen. Auch die derzeitige Situation in unseren Krankenhäusern und die Situation auf den Straßen, auf denen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert wird, kann Angst machen. Vielleicht stellen auch Sie sich die Frage, wie auch ich sie mir oft stelle: Was kommt da auf uns zu? Wohin führt das alles?

Möglicherweise neigen auch viele von Ihnen dazu – so wie auch ich – sich von diesen fragenden, manchmal auch ängstlichen Gedanken einnehmen zu lassen und sich resignativ und ernüchtert dem Schicksal zu ergeben oder auch mit einer ständig im Inneren nagenden Angst durch das Leben zu gehen.

„Die Menschen werden vor Angst vergehen…“ So steht es heute im Evangelium. Also nicht das, was kommt, ist der Grund für das Vergehen der Menschen, sondern die Angst davor? Hm. Das gibt mir zu denken.

Ich glaube, es stimmt. Wie oft hat mir die Angst schon ein Schnippchen geschlagen. Wie oft hat sich die Angst verselbständigt und in meiner Gedankenwelt eine mögliche Gefahr zu einer realen Gefahr gemacht, der zu entrinnen unmöglich schien. Dabei war die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich etwas Schlimmes passiert, gar nicht so groß.

„denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“. Was sind die Kräfte des Himmels? Das, was nach einem Gewitter so oft beobachtbar ist, ist diese heilvolle Klärung. Die Luft wirkt wie neu gereinigt, der blaue Himmel wird in neuer Frische sichtbar, die Sonne blitzt zwischen den Wolken hervor.
Wenn die Kräfte des Himmels erschüttert sind, ist unser Vertrauen in diese Klärung erschüttert und die Angst hat sich unserer bemächtigt. Es ist ein unheilvoller Zustand, da drinnen in dieser Angst.

Auch heute ist die Gefahr gegeben, dass wir Angst bekommen. Angst, dass die pandemische Situation nicht so schnell in den Griff zu bekommen ist und viel zu viele Menschen an Covid sterben. Angst, dass die Gräben in unserer Gesellschaft so groß werden, dass sie auch am Ende dieser Krise unüberwindbar scheinen und dass Beziehungskonflikte oder gar -abbrüche durch unterschiedliche Ansichten zu Impfung und Co nicht so schnell beiseite zu legen sind. Es sind ernst zu nehmende Ängste, die sich da in unserer heutigen Situation zu Wort melden.

Trotzdem: Jesus macht uns da mit seiner Rede zu seiner Gefolgschaft mit einem sehr besonderen Bild Hoffnung. Genau in dem Moment, in dem die Kräfte des Himmels erschüttert werden, also genau dort, wo die Hoffnungslosigkeit um sich gegriffen hat oder wir uns von ihr in Besitz nehmen haben lassen, genau „dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit“.

Um sich von diesem Kommen des Menschensohnes auch wirklich beeinflussen lassen zu können, braucht es aber noch etwas: „Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter“. Wir müssen also schon wirklich hinsehen. Wir müssen unsere ängstliche und gebeugte Haltung verlassen, und uns mit unserem hoffenden Ja aufrichten. Wir können, dürfen, ja sollen die Hoffnung und Zuversicht und das Vertrauen in das Wirken des Menschensohnes zu unserer Körperhaltung machen.

Ich habe das Gefühl, dieses Evangelium passt zum gegenwärtigen Geschehen wie der passende Deckel zum richtigen Topf. Gerade heute können wir uns das, was Jesus sagt, zu Herzen nehmen und damit unsere Hoffnung nähren.

Nützen wir jede Gelegenheit, um in den Himmel zu sehen. Dort spannt sich eine unendliche Weite auf. Der Himmel klärt sich nach jedem Gewitter, nach jeder Regenfront, auch der Nebel wird den Blick auf das Blau wieder freigeben. Oft sehen wir in Nebelzeiten gerade in der Nacht den schönsten Sternenhimmel. Machen wir das Vertrauen in das Klären des Himmels zum Vertrauen in das Heute. Vertrauen wir darin, dass sich viele Diskussionswogen wieder glätten werden. Vertrauen wir, dass sich die Situation in den Krankenhäusern wieder entspannen wird und dass allen Erkrankten geholfen wird.

Machen wir unsere Hoffnung und unser Vertrauen von außen erkennbar, indem wir uns aufrichten und von unserer Hoffnung erzählen.

 

Jedes Gewitter hat ein Ende. Und auch tiefe Gräben sind überwindbar. Wir können uns getrost in dieser christlichen Grundbotschaft betten- Und wir können sie hoffnungs- und vertrauensvoll weitererzählen!

 

 

Fürbitten:

- Heilender Gott, wir bitten dich für die Menschen, die gerade krank sind. Sei ihnen gegenwärtig, steh ihnen bei in ihrem Leiden und ihrer Angst, unterstütze ihr Gesund-Werden. 

Hörender Gott, radikaler Widerstand ist oft ein Zeichen dafür, dass sich Menschen nicht ernst genommen fühlen. Wir bitten dich für die Menschen, die sich gewaltsam Gehör verschaffen wollen: Stärke sie in ihrem Selbstwert und zeige ihnen Möglichkeiten, ihre wahren Anliegen gewaltfrei auszudrücken.

- Teilender Gott, zurückgeworfen in unsere eigenen Häuser und Wohnungen und allein mit unseren eigenen Nöten vergessen wir schnell auf die Nöte unserer Mitmenschen. Stärke unser Verlangen, uns einander mitzuteilen und füreinander da zu sein. 

- Gebender Gott, so viele Kinder, Frauen und Männer leiden physischen oder psychischen Hunger oder müssen sich in Kriegen oder Konflikten um ihre körperliche Unversehrtheit sorgen. Zeige uns Möglichkeiten, Hungernden, Leidenden und Flüchtenden zu helfen. 

- Handelnder Gott, Machthaber und Oppositionelle in der Politik sind auf der Suche nach Wegen, um von möglichst vielen Menschen gewählt zu werden. Hilf ihnen, dass sie langfristig denken und für ein gutes Wertesystem einstehen, das sie in ihrem Handeln geleitet. Du Gott des Lebens…

- Liebender Gott, immer wieder ist es die Liebe, die Gräben und Ängste zu überwinden vermag. Stärke unsere Liebe. 

 

 

Danke, Gott des Lebens, dass du uns nah bist in unserem Bitten und Danken. 

 

Segen:

 

Guter Gott,
In unserer Angst segne uns und sei bei uns als das Licht unseres Glaubens, das das zwielichtige Dunkel ausleuchtet.
In unseren Konflikten segne uns und sei bei uns als das Licht, in dem wir einander trotzdem immer wieder liebevoll begegnen.
In unseren Krisen segne uns und sei bei uns als das Licht am Ende des Tunnels, das uns Kraft zum Weitergehen gibt.
In unseren Beziehungsabbrüchen segne uns und sei bei uns als das Licht, durch das wir den Anderen wieder neu sehen können.
Im Auf und Ab unseres Lebens segne uns und sei bei uns als das Licht, das in den Tälern besonders hell leuchtet.
In all dem Schönen und Guten und Hellen und Freudigen segne uns und sei bei uns als das Licht, das uns Dich erkennen lässt.

So segne uns der drei-eine Gott, der Vater, der Sohn und die heilige Geistkaft